VORSCHLAG FÜR EINE NACHHALTIGE REFORM DES ÖSTERREICHISCHEN PENSIONSVERSICHERUNGSSYSTEMS


„Die derzeitige Vermischung zwischen Versicherungssystem und Umverteilung bei Pensionszahlungen ist intransparent, unfair und nicht zukunftssicher.“ Prof. Christian Keuschnigg, WPZ Wien, Universität St. Gallen

KURZÜBERBLICK

DIE ZENTRALEN PUNKTE

 1. Reform der staatlichen Pension (1. Säule)

  • Umstellung vom Leistungssystem auf ein Beitragsorientiertes Pensionskontensystem auf Umlagebasis (versicherungsmathematische Fairness)
  • Impliziert: Flexibilisierung des Pensionseintrittsalters durch Erstellung von Individualkonten – schafft Anreiz für längeres Arbeiten
  • Forcierte Harmonisierung der Pensionssysteme, Beseitigung von Pensions-Privilegien

2. Beitragsunabhängige bedarfsorientierte Grundsicherung bzw. eigene Erwerbsunfähigkeitspension, getrennt von Alterspension

 3. Forcierung der rein privaten kapitalgedeckten Pensionsvorsorge (2. und 3. Säule)

  • Gleiche Besteuerung für alle Vorsorgeprodukte
  • Individuelle Kapitalpensionskonten mit nachgelagerter Besteuerung, keine Förderungen
  • Direkte Speisung der Kapitalpensionskonten durch den Arbeitgeber (2. Säule) oder vom Pensionsanwärter selbst (3. Säule), d.h. nicht über Pensionskassen (wobei bei der Veranlagungsentscheidung der Inanspruchnahme eines Dienstleisters nichts im Wege steht)

4. Beseitigung der Regulierungsdichte

DAS ZIEL DIESES PLÄDOYERS

Mit diesem Reformvorschlag bietet der SENAT DER WIRTSCHAFT der neuen Regierung eine Entscheidungsbasis für die Erstellung eines längst überfälligen Pensionssystems, das fair und zukunftsfähig ist, an. Unser Ansatz ist unabhängig von Klienteldenken und dient somit ALLEN Österreicherinnen und Österreichern. Im Namen unserer Mitglieder ermahnen wir die politisch Verantwortlichen in Österreich, eine nachhaltige Pensionsreform zum Gegenstand der bevorstehenden Koalitionsvereinbarung zu machen. Die nächste Regierung sowie der Nationalrat mögen ihrer Verantwortung nachkommen und umgehend eine solche Reform beschließen und umsetzen.

DETAILINFORMATIONEN 

Österreich weist europa- und weltweit eines der großzügigsten staatlichen Pensionssysteme auf. Die finanzielle Nachhaltigkeit des Gesamtsystems ist ohne weitere Ausgabenkürzungen und/oder Einnahmenerhöhungen und/oder einer Anpassung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung nicht gesichert. Ohne umfassende Pensionsreform kann eine nachhaltige Sanierung der Staatsfinanzen nicht gelingen. Auch wenn die von der Regierung Schüssel beschlossene Pensionsreform kurz- und mittelfristig stabilisierend wirkt, ist ohne weitere nachhaltige Reformen ein finanzieller Kollaps des Systems langfristig unvermeidbar. Das österreichische Pensionsversicherungssystem ist für die weitere Alterung unserer Gesellschaft nicht vorbereitet:

  • Es fehlen Anreize, die einen späteren Pensionsantritt attraktiv machen.
  • Beiträge und Leistungen unterschiedlicher Versicherungsgruppen werden nicht gleichbehandelt, worunter auch die professionelle Mobilität leidet.
  • Die Erwerbsbeteiligung älterer Personen ist im internationalen Vergleich ausnehmend niedrig.
  • Ohne umfassende Reform und Harmonisierung besteht eine erhebliche Ungleichbehandlung von Alterskohorten.

Anforderungen an ein nachhaltiges Pensionssystem

  • Gewährleistung finanzieller Nachhaltigkeit auch bei ungünstigen demographischen und ökonomischen Entwicklungen
  • Fairness innerhalb und zwischen den Generationen
  • Fairness zwischen Berufsgruppen und Dienststellen
  • Vereinfachte und transparente Strukturen
  • Mehr individuelle Selbstbestimmung bei der Erwerbsbeteiligung und Ruhestandsentscheidung – Wahlfreiheit und Flexibilität
  • Stärkung der Erwerbsbeteiligung der älteren Arbeitnehmer
  • Unterstützung in der selbstbestimmten Erwerbsbeteiligung der Frauen
  • Keine bzw. möglichst geringe Verteilungswirkung durch das Pensionsversicherungssystem per se. Umverteilung muss ausschließlich Sache der Sozialpolitik sein.

EIN Beitragsorientiertes staatliches Pensionskontensystem

Orientierung des Pensionssystems am Beitragsprimat (Notional Defined Contribution – NDC): Dadurch Sicherstellung der Nachhaltigkeit durch automatische Anpassung an demographische Entwicklungen (insbesondere Zunahme der Lebenserwartung); nach einer Mindestversicherungsdauer freie Wahl des Pensionsantritts bei Anwendung versicherungsmathematisch fairer Abschläge und Zuschläge, bezogen auf ein „Normantrittsalter“ (das sich automatisch mit steigender Lebenserwartung erhöht). 

Das beitragsorientierte System bleibt als Umlageverfahren implementiert und hat folgende Elemente:

  • Die Beitragssätze können auf dem derzeitigen Niveau bleiben.
  • Mit dem Eintritt in das Erwerbsleben beginnt die Beitragspflicht. Die Beitragszahlungen werden im Pensionskonto angesammelt und mit der Wachstumsrate der Lohnsumme aufgewertet, sprich: verzinst.
  • Zum Zeitpunkt des frei gewählten Pensionsantritts wird eine Pensionshöhe derart berechnet, dass die über die erwartete Restlebenszeit zu zahlende Pension gerade dem Beitragskapital entspricht.

Es gilt das Versicherungsprinzip. Jeder bekommt, was er an Ansprüchen selbst erwirbt. Das System ist selbstfinanzierend und selbststeuernd. Auch bei längerer Lebenserwartung wird die Pensionshöhe immer so berechnet, dass die Renten in Summe gerade den Beitragszahlungen entsprechen, für ein einzelnes Individuum, wie für das Pensionssystem als Ganzes. Auch bei solch einem Automatismus kann die Regierung prinzipiell eingreifen, wenn erforderlich.

Eine höhere Lebenserwartung senkt automatisch das Rentenniveau. Die Menschen nehmen es selber in die Hand, durch späteren Ruhestand wieder das gewünschte Rentenniveau herbeizuführen. Die Wahl des Pensionsantritts hat für das System finanziell keine Folgen, sodass den anderen Versicherten weder Vorteile noch Nachteile erwachsen. Jeder trägt die Konsequenzen seiner Entscheidung selbst. Umverteilung erfolgt nur einmal und konsequent im Staatshaushalt nach vergleichbaren Kriterien für alle.

Pensionsfachleute (nicht nur) der OECD Länder vertreten mit überwiegender Mehrheit, dass einheitliche beitragsbezogene Pensionskonten auf Umlagebasis für alle als zentrale Säule eines reformierten staatlichen Pensionssystems (1. Säule) die oben aufgelisteten Anforderungen am besten erfüllen. Zahlreiche Länder (Schweden, Italien, baltische Staaten, Polen, Norwegen,…) haben daher diesen Weg bereits gewählt und ihr System entsprechend umgestellt. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Gesamtverschuldung (explizite plus implizite Staatsverschuldung) zum Beispiel von Italien mit 107 % des BIP wesentlich geringer ist als die österreichische, die 2016 bei 249 % des BIPs lag (Quelle: Stiftung Marktwirtschaft). In Österreich sind die technischen Voraussetzungen, um von den jetzigen Leistungskonten auf einheitliche Beitragskonten für alle Personen umzustellen bereits vorhanden. In Verbindung mit einer Grundsicherungssäule für die Armutsbekämpfung (gedeckt durch den öffentlichen Haushalt und getrennt von der Pensionsversicherung) und einer freiwilligen Säule auf Kapitaldeckungsbasis (2. und 3. Säule) wäre ein funktionierendes Pensionssystem geschaffen, um den Anforderungen einer alternden Bevölkerung und eines modernen Sozialstaates zu entsprechen.

Kapitalbasierte private (betriebliche und nicht-betriebliche) Pensionsvorsorge

Gleichzeitig mit der Reformierung des staatlichen Pensionssystems muss der Ausbau der nichtstaatlichen Kapitaldeckungskomponente der Pensionsfinanzierung, nicht zuletzt im Sinne der Generationengerechtigkeit, forciert werden. Nur Kapital ist in der Lage, an zukünftige Generationen vererbt zu werden. Nur durch eine private Pensionsvorsorge kann den Individuen ein angemessener Lebensstandard in der Pension garantiert und Altersarmut verhindert werden. Der Staat kann nicht mehr alles leisten!

Jeder Österreicher soll sein persönliches Kapitalpensionskonto haben. Die Einzahlungen in dieses Konto erfolgen direkt (also nicht über Pensionskassen), und zwar sowohl vom Arbeitgeber (2. Säule) als auch vom Pensionsanwärter selbst (3. Säule).

Außerdem erfolgen diese Einzahlungen gemäß Empfehlung der OECD nach dem Exempt-Exempt-Taxed (EET)-Konzept: Arbeitgeber leisten Bruttolohnteile (also vor Abzug von Lohn- oder Einkommensteuern), private Veranlagungen bleiben ertragssteuerfrei. Die Besteuerung erfolgt nur einmal und zwar nachgelagert, d.h. erst bei der Auszahlung als Pension. Schließlich bedarf es im Sinne der Rechtssicherheit und der individuellen Vorsorgeplanung der gleichen Besteuerung für alle Vorsorgeproduktformen (z.B. Gleichstellung von Rückdeckungsversicherung und Direktversicherung).

Der Weg zur eigenverantwortlichen Veranlagung sollte in Österreich durch ein entsprechendes Bildungsprogramm begleitet werden. Jeder muss verstehen lernen, dass z.B. das Kapitalmarktrisiko wie etwa bei Finanzkrisen kurzfristig ist, das politische Pensionsrisiko aber langfristig: Pensionsreformen resultieren zumeist in niedrigeren Pensionsleistungen. Jedenfalls stehen den PensionsanwärterInnen immer auch lizenzierte DienstleisterInnen als BeraterInnen zur Verfügung.

Anlagekapital als Basis für Innovation und Wirtschaftswachstum

Die Wirtschaft braucht Finanzierung insbesondere für Innovation. Im Vergleich zu den USA steuern in Europa die Kapitalmärkte nur wenig zur Finanzierung bei. Gemessen am Anteil der BIPs ist in Österreich der Finanzierungsbeitrag z.B. der Wiener Börse oder in Form von privatem Risikokapital (PE-Private Equity, VC-Venture Capital) noch wesentlich geringer als in der EU. Kapitalmarktfinanzierung ist nur möglich, wenn mehr Anlagekapital auf den Kapitalmarkt fließt. In Österreich fehlt privat und/oder institutionelles Pensionskapital als große Anlegergruppe. Bereits ein kleiner Schritt in Richtung kapitalgedeckter Alterssicherung würde die Entwicklung des österreichischen (Risiko-) Kapitalmarkts (und damit auch der Wiener Börse) kräftig anschieben und so zur Wachstums- und Innovationsfinanzierung unserer Volkswirtschaft beitragen.

KLARSTELLUNG zu unserem Reformvorschlag

 Dieser bewirkt

  • KEINE Schwächung des Sozialstaats bzw. Sozialabbau
  • KEINE Benachteiligung von Arbeitnehmern
  • Nicht notwendigerweise niedrigere oder ungedeckte Pensionen 

  • Nicht notwendigerweise höhere Steuern, Abgaben, Pensionsbeiträge 

  • NICHT ein einziges fixes Pensionsantrittsalter für alle Personen und alle Zeiten 

  • KEINE haltlosen Pensionszusagen, Beitragslücken, Pensionsdefizite 

  • KEINE Sonderpensionsrechte

Der Inhalt dieses Plädoyers basiert auf Inputs von:

  • Peter Brandner (Die Weise Wirtschaft)
  • Christian Keuschnigg (WPZ Wien/Universität St. Gallen)
  • DI Leopold Miedl (Experte für Arbeits- und Sozialpolitik)
  • und folgt dem „Aufruf zur Pensionsreform 2012“ von EcoAustria und dem Personenkomitee Prof. Robert Holzmann, Prof. Christian Keuschnigg, Prof. Bernd Marin, Dr. Ulrich Schuh.

Weitere Informationen:

Durch direkte Kontaktaufnahme mit

  • Johannes Linhart, Geschäftsführer MITTELSTANDS-ALLIANZ des SENAT DER WIRTSCHAFT Österreich: j.linhart@senat.at | +43-664-819 16 66
  • Jochen Ressel, Geschäftsführer – Operations des SENAT DER WIRTSCHAFT Österreich: j.ressel@senat.at | +43-676-756 756 4

Wien, 19. September 2017

Für den SENAT DER WIRTSCHAFT Österreich

  • Hans Harrer, Vorstandsvorsitzender
  • Johannes Linhart, Geschäftsführer – MITTELSTANDS-ALLIANZ
  • Jochen Ressel, Geschäftsführer – Operations

Quellen